von Hans-J. Brandes
Wir fahren nach Leipzig, wir fahren nach Leipzig…und was singen wir da, so nach Corona? Pascal – unser Chorleiter – ist tiefenentspannt: „das was wir bis dahin können“.
Stimmt eigentlich, so einfach kann’s sein.
Fünf Wochen später, Probenraum im Hotel, es ist 16:00 Uhr, die letzte Probe vor dem Auftritt um 18:00 im Kupfersaal hat begonnen. Manche Lieder werden nur angesungen, manche durchgesungen.
Und wieder, wir sind ja nicht vollzählig und manche Leistungsträger*innen sind nicht dabei. Kriegen wir das trotzdem hin? Wie stehen wir, dass sich jeder/jede wohl fühlt. Wie gehen wir auf?
Pascal und Andrea (Vizechorleiterin) versuchen das dem Chor nahe zu bringen. Oh je, die Aufregung ist schon da, es können nicht mehr alle gut zuhören, es gibt „gute“ Ratschläge und Diskussionen von vielen Sänger*innen. Schlußendlich ist es geregelt.
Es ist 17:00 Uhr, wir machen uns auf den Weg. Vom Hotel zum Auftrittsort ca. 15 bis 20 Gehminuten. Ist es ein schwerer Gang? Nein, es wird gescherzt und geblödelt. Ein gutes Zeichen.
Der Kupfersaal ist bis auf den letzten Platz voll. Die Luft steht. Gerade geht der Chor, der vor uns dran ist auf die Bühne – kommt aus Holland. Wir suchen den Backstage-Raum auf. Und schon hören wir das gejohle vom Publikum. Die Holländer machen offenbar schwer einen los.
Wo sind unsere Sänger*innen? Ungefähr die Hälfte ist vor Ort – und die anderen? Die Sucherei geht los. Schließlich sind alle beisammen. Es wird von dem Chor, der gerade auf der Bühne ist berichtet. Das Auftrittsherz rutscht in die Hose. Sind wir auch so gut? Läuft das Publikum davon, wenn wir anfangen? Naja Mutmacher waren das nicht, was da berichtet wurde. Und auch das noch, der Aufgang ist in der Mitte. Also alles von vorne, wer geht zuerst, wer folgt wem. Und erneut, viele gute Ratschläge, wie man das machen könnte, aber eigentlich war doch verabredet, genau zwei Menschen, Chorleiter und Vizechorleiterin sind autorisiert Ansagen zu machen. NaJa, wie immer halt. Aber, alles wird gut.
Die Stimmung im Saal kocht, das letzte Lied. Dann kommen sie zurück. Wir stehen Spalier und klatschen. Wir haben danach noch etwas Zeit, sammeln uns noch mal. Die Holländer kommen aus der Umkleide, recken uns den Daumen nach oben zu und machen uns Mut. Wir gehen raus. Das Publikum begrüßt uns so lautstark, wie es die Holländer verabschiedet hat. Das zaubert uns allen ein Lächeln auf die Lippen. Und der Aufgang – Ha wir stehen auf der Bühne, fast so, wie es geplant war. Ein Tenor ist verloren gegangen, statt erste Reihe steht er ganz hinten und ist etwas „lost“.
Pascal stimmt unser erstes Lied an „Empire State of Mind“. Mein persönlicher Favorit. Im Tenor geht’s laut zu. Die Rückmeldung später war allerdings, das wir bei diesem Lied doch sehr verhalten waren. Dann kommt Pascal, unser Chorleiter, die Rampensau und heizt dem Publikum ein. Die Stimmung steigt. Das zweite Lied „Lean on me“. Wir kommen langsam in Fahrt – vor allem im zweiten Teil.
Pascal setzt bei der zweiten Ansage noch einen drauf, jetzt verläßt keiner mehr den Saal. Die Stimmung ist vergleichbar mit dem, was die Holländer hier „angerichtet“ haben. Unser drittes Lied „Heal the world“. Das kennt im Saal fast jeder und ganz ganz viele singen mit. Das wiederum stachelt uns an, der Saal siedet, die Stimmung schwappt auf die Bühne, wir singen wie losgelöst.
Pascal hat immer noch was drauf und stimmt dann „Imagine“ an. Da brechen alle Dämme. Es brodelt im Saal. Gefühlt singt der ganze Saal mit, elektronische Kerzen werden hochgehalten, wir fliegen mit dem Publikum davon. Einfach sensationell. Gänsehaut pur.
„Shine“ ist das letzte Lied, eine „Mitmach-Sause“ mit einem Loop, der beliebig ausdehnbar ist. Mit Klatschen und singen. Und nach der 4. Runde, wir haben uns unsere Ovationen – das ist nicht übertrieben – abgeholt, gehen wir mit dem Schluss von „Shine“ von der Bühne mitten durchs Publikum und fallen uns backstage in die Arme.
Wir waren in Leipzig und haben einen super tollen Auftritt gehabt. Es geht noch, auch nach Corona. Wir sind sehr glücklich.